Worum geht es hier?
In den ersten beiden Teilen unserer Reihe der „Tipps für Haltung und Bewegung“ haben wir uns schon mehreren Bewegungsabläufen des Alltags gewidmet. Hier ging es unter anderem ums Aufstehen, Hinsetzen und Bücken.
Wir haben Ihnen gezeigt, wie Sie durch gezieltes Loslassen zu gesunder Haltung und Bewegung finden und eine Rolfing-Behandlung unterstützen können. Im vorliegenden letzten Teil geht es um Übungen zum Liegen und Atmen. Der Zusammenhang zwischen Liegen und Atmen ist vielleicht nicht auf den ersten Blick sofort ersichtlich, wird sich Ihnen im Laufe des Lesens erschließen.
Zum ersten Teil: Tipps für alltägliche Bewegung und Haltung im Stehen und Sitzen
Zum zweiten Teil: Tipps für alltägliche Bewegung: Aufstehen, Hinsetzen und Bücken
Mein Name ist Hubert Ritter und ich praktiziere seit 1994 Rolfing Strukturelle Integration. Meine Praxis befindet sich in Charlottenburg.
Hier können Sie einen Termin für eine Rolfing-Behandlung in Berlin buchen.
Liegen und Atmen
Im Liegen kann man besonders gut das eigene Atmen beobachten. Deswegen werden diese beiden Übungen in unseren Haltungs- und Bewegungstipps miteinander kombiniert.
Im Liegen ist unser Körper weitestgehend entspannt. Die feinen Atembewegungen werden nicht von anderen Bewegungen überlagert und unsere volle Aufmerksamkeit kann sich auf das Atmen lenken.
Für die folgenden Übungen ist es wichtig, dass Sie die Atmung einfach geschehen lassen und nicht versuchen, aktiv besonders tief zu atmen. Sonst beziehen Sie zu viele äußere Muskeln mit ein, die Sie für eine ruhige tiefe Atmung gar nicht benötigen.
Wenn wir in absoluter Ruheposition atmen, dann geschieht dies ausschließlich durch die unwillkürlichen Atemmuskeln. Wie beim tiefen und entspannten Atmen im Schlaf aktiviert unser Körper diese Muskeln ganz alleine, ohne dass wir uns aktiv darum bemühen müssen. Was wir aber aktiv beeinflussen können ist, den Atem in bestimmte Regionen unseres Körpers fließen zu lassen. Mit der Kraft unserer Vorstellung lenken wir den Atem in eine bestimmte Region und unser Organismus kann diesen Bereich tatsächlich stärker aktivieren und in die Atmung einbeziehen.
Vorbereitung der Übungen zum Liegen und Atmen
Für das Ausführen der Bewegungsübungen zum Liegen und Atmen benötigen Sie eine Matratze. Diese sollte weich genug sein, damit Ihr Körper minimal einsinken kann, aber gleichzeitig fest genug, um dem Körper Halt zu geben und ihn nicht durchsacken lässt. Eine Yoga-Matte tut diesen Anforderungen auch Genüge oder Sie falten eine Decke mehrfach und nutzen diese als Unterlage.
Übung 1: Liegen in Bauchlage
Die erste Übung im Liegen, mit der Sie Ihre Rolfing-Behandlung unterstützen und in ihrer Nachhaltigkeit verbessern können, ist das Liegen in Bauchlage.
1. In der Ausgangsstellung liegen Sie flach auf dem Bauch. Legen Sie Ihre Füße so, dass die Fersen nach außen fallen. Die Zehen zeigen nach innen. Drehen Sie Ihren Kopf zu einer Seite. Wählen Sie die Seite, zu der Ihr Kopf ganz spontan am leichtesten zur Seite fällt. Sie sollten nur auf der Wange liegen, nicht auf dem Ohr. Beim Liegen auf dem Ohr ist Ihr Hals überdreht und verkürzt sich.
2. Jetzt heben Sie Ihren Oberkörper etwas hoch. Dazu stützen Sie Ihre Unterarme etwas hoch und ziehen Ihr Brustbein in Richtung Kopfende nach oben. Durch diese Bewegung wird die gesamte Vorderseite Ihres Rumpfes leicht in die Länge gezogen.
Anschließend legen Sie den Oberkörper wieder auf der Unterlage ab. Lassen Sie ihn und damit auch Ihr Brustbein in die Unterlage sinken. Das Brustbein „verankert“ sich dabei in der Unterlage.
3. Sie haben das Brustbein nun in der Unterlage verankert. Jetzt robben Sie mit dem Becken ein wenig in Richtung des Fußendes. Ihr Oberkörper wird zwischen Brustbein und Becken durch diese Bewegung noch einmal ein wenig in die Länge gezogen. Geben Sie jetzt bewusst Ihr gesamtes Körpergewicht an die Matte ab.
Sie spüren dabei, wie die Schwerkraft Sie gegen die Unterlage drückt und sich Ihr Körper in der Länge dehnt. Sie dehnen nicht aktiv, es geschieht nur durch die Wirkung der Schwerkraft. Sie lassen sich passiv dehnen.
4. Die Arme können nun nach oben oder nach unten am Körper abgelegt werden. Probieren Sie aus, welche der Positionen für Sie am bequemsten ist. Legen Sie die Arme nach oben neben dem Kopf ab, wird ein Teil des Gewichtes Ihres Oberkörpers von den Armen und vom Schultergürtel aufgefangen.
Sie werden eine mehr oder weniger starke Dehnung auf der Vorderseite der Schultern und in den Oberarmen spüren, je nachdem, wie flexibel Ihr Schultergürtel ist.
Legen Sie hingegen die Arme nach unten seitlich an Ihrem Körper ab, nehmen jetzt die Hals- und Nackenregion und Ihr Brustkorb das Gewicht Ihres Oberkörpers auf und werden gegen die Matte, auf der Sie liegen, gedrückt und gedehnt. Ihre Schultern und Arme bleiben völlig entspannt.
5. In der von Ihnen selbst gewählten Position, mit den Armen nach oben oder nach unten abgelegt, stellen Sie sich jetzt vor, dass Sie Ihren Atem entlang der aufliegenden Brustseite bis nach unten zu Ihrem Schambein fließen lassen.
Mit Ihrer Vorstellungskraft werden Ihre Beine durch die Atembewegung aus dem Becken in Richtung Fußende geschoben. Ihr Kopf wird in entgegengesetzter Richtung zum Kopfende hin aus dem Rumpf hinausgeschoben. Sie spüren, wie die Wange, auf der Sie liegen, ein wenig Richtung Kopfende vom Rumpf weggeschoben wird.
Die nachfolgenden Bilder untermalen die beschriebene Übung noch einmal und zeigen Ihre Positionen während der Übung.
Übung 2: Liegen in Rückenlage
1. Sie legen sich lang ausgestreckt auf Ihrer Unterlage auf den Rücken. Die Oberschenkel, Unterschenkel und Füße lassen Sie bewusst locker. Ihre Beine rollen dabei leicht nach außen, Ihre Hände liegen auf Ihrem unteren Rippenbogen. Nun schieben Sie die Ellenbogen ein klein wenig zur Seite hinaus, so weit, dass Ihre Schultern viel Platz haben.
Spüren Sie bewusst, wie Ihr Rücken die Matte berührt. Stellen Sie sich nun vor, wie Sie die Rückseite Ihres Beckens auf beiden Seiten, rechts und links, weit werden lassen. Ihr Becken sinkt weich in die Unterlage, auf der Sie liegen, ein. Ihr Schambein wird schwer und sinkt ein wenig nach unten in Richtung Boden.
2. Nun geben Sie das Gewicht Ihres oberen Rückens an die Unterlage ab. Während Ihre Schultern ganz entspannt bleiben, stellen Sie sich vor, dass Ihre Ellenbogen schwer sind und in die Unterlage einsinken.
3. Spüren Sie jetzt ganz bewusst die Stelle, auf der Ihr Hinterkopf aufliegt. Ihr Unterkiefer ist ganz locker und sie merken, wie Ihr Kopf nur durch sein eigenes Gewicht leicht nach unten in Richtung des Bodens und in die Unterlage sinkt.
4. Jetzt atmen Sie ein und lassen Ihren Atem entlang des Rückens bis zur Rückseite Ihres Beckens nach unten fließen. Wenn Sie sich vorstellen, dass Ihr Atem wie das Wasser in einem Bachbett an Ihrem Rücken entlang fließt, dann können Sie sich bildlich vorstellen, wie er vielleicht an einzelnen Stellen nicht ganz ungehindert fließen kann, wie in einem Bach kleine Steine oder Zweige das freie Fließen des Wassers behindern.
Ihr Atem macht diese Stellen mit jedem Atemzug nach und nach freier. Stellen Sie sich vor, Ihr Atem ist das Wasser, welches die Steine und kleinen Äste einfach wegspült.
Übung 3: Liegen in der Seitenlage
Auch für das Liegen auf der Seite wollen wir Ihnen eine Übung vorstellen, die Sie in Ihrer Haltung unterstützt und Sie die Kraft des Atmens spüren lässt. Für diese Übung benötigen Sie noch ein Kissen zusätzlich zu Ihrer Unterlage. Es sollte dick genug sein, als dass es Ihren Kopf etwas von der Unterlage abheben kann (siehe Abbildung 1 a), ohne ihn dabei aber unnatürlich anzuwinkeln, wie es Abbildung 1 b zeigt.
1. Legen Sie sich auf die Seite auf Ihre Unterlage, ganz so, als würden Sie sich zum Schlaf betten oder zum Ausruhen hinlegen. Ihr Kopf legt sich auf dem Kissen ab. Hat Ihr Kissen die richtige Dicke, sollte Ihr Kopf, wenn Sie sich entspannen, durch die Wirkung der Schwerkraft vom Rumpf weg in Richtung Kopfende gleiten können.
Das Kissen liegt nur unter Ihrem Kopf, die Schulter liegt nicht mit darauf. Nur so kann das Kissen ihren Kopf vollständig stützen, den Nacken gerade halten und Ihre Schulter entlasten.
2. Nun achten Sie darauf, dass die Schulter, die unten liegt, nicht zwischen der Unterlage und Ihrem Kopf eingeklemmt ist, wie Sie es auf Abbildung 2 a sehen können. Um dies zu verhindern, schieben Sie Schulter und Arm leicht nach vorn.
Sie liegen nun nicht mehr auf der Schulter, sondern knapp dahinter. In dieser Position hat der obere Abschnitt Ihres Rumpfes mehr Platz, ihre Atmung kann leichter fließen. Ihren unten liegenden Arm legen Sie so ab, dass der Ellenbogen vom Körper weg zeigt und Ihre Hand seitlich auf dem Brustkorb aufliegt. So wird der oben liegende Arm gestützt und er engt den Brustkorb nicht ein. Abbildung 2 b zeigt es.
3. Ihre Aufmerksamkeit wandert nun zum unteren Ende Ihres Rumpfes. Sind Sie auch jemand, der in der Seitenlage eine Art Embryo-Stellung einnimmt? Damit sind Sie nicht alleine. Unbewusst suchen wir vermutlich eine Stellung, die uns ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt.
Der Nachteil an dieser Position ist allerdings der, dass durch diese der Brustkorb eingeengt und die Vorderseite des Rumpfes verkürzt wird. Ebenso staucht sich das Becken in dieser Position meist nach oben, was den Bauch- und Brustraum zusätzlich einengt.
4. Wenn Sie von dieser C-förmigen Position in eine Position kommen wollen, in der Ihr Rumpf möglichst lang ist, schieben Sie zuerst einmal Ihre Beine etwas nach unten in Richtung des Fußendes. Ihre Knie sollten nun nicht mehr so stark angezogen sein. Es eröffnet sich genug Platz, so dass Sie Ihren Rumpf lang machen können.
Heben Sie Ihre Hüften dazu leicht an und schieben diese etwas weiter nach unten in Richtung des Fußendes. Nun liegt die gesamte Seite Ihres Rumpfes lang auf der Matte.
Eventuell kommt es Ihnen jetzt so vor, als würde Ihr Rücken ein Hohlkreuz bilden. Sie können sich davon überzeugen, dass es höchstens eine leichte Wölbung nach innen ist, die Sie da spüren, in dem Sie mit dem Handrücken des oben liegenden Armes Ihren unteren Rücken entlangfahren. Die Abbildungen 4 a und 4 b zeigen die eben beschriebenen Positionen noch einmal.
5. Nun lassen Sie Ihren Atem entlang der auf der Matte aufliegenden Seite Ihres Körpers nach unten zur Hüfte fließen. In Ihrer Vorstellung werden dabei die Rippen während des Einatmens aufgefächert.
Durch das bewusste Atmen wird auch Ihre auf der Unterlage liegende Seite mit in die Atmung einbezogen. Sie werden spüren, wie sich Ihr Rumpf in alle drei Dimensionen ausdehnt. Bei jedem Atemzug wird er ein wenig breiter, tiefer und länger.
Was Sie beachten sollten
Bei den Übungen zum Atmen und Liegen setzt sich Ihr Atem über die Schultern in die Arme, über Bauch und Becken in die Beine sowie über Hals und Nacken bis in den Kopf fort. Achten Sie darauf!
Die Luft fließt wie selbstverständlich in die Lungen. Diese dehnen sich zusammen mit dem Brustkorb in alle Richtungen aus. So wird ein Bewegungsimpuls in die angrenzenden Regionen Ihres Körpers erzeugt. Wir sprechen also beim Atmen nicht vom reinen Luftholen, sondern von einer gesamten Bewegung, die im Körper erzeugt wird.
Das sollten Sie fühlen
Sie werden beim Ausprobieren der beschriebenen Übungen merken, dass die Atembewegung nicht auf Brust und Bauch beschränkt ist.
Alle Übungen, die wir Ihnen hier vorgestellt haben, gründen darauf, dass das Gewicht des Körpers an die Unterlage abgegeben wird. Dabei wird er entspannt und lang. Dies ist die ideale Grundlage, damit der Atem frei fließen kann.
Mit jedem Atemzug liefert unser Atem so einen kleinen Impuls, der sich wie eine Welle in unserem Körper ausbreitet. Wir werden auf subtile Art und Weise von Kopf bis Fuß ausgerichtet und in einer permanenten Bewegung gehalten, die uns, bevor wir diese Übungen gemacht haben, gar nicht bewusst war.
Es ist dabei egal, ob wir schlafen oder wach sind. Unser Wohlbefinden steigert sich und die bewusst losgelassene Atembewegung trägt dazu bei, uns gesund zu erhalten.
Dies war nun der Abschluss unserer Tipps zur Haltung und Bewegung, mit denen Sie alltägliche Bewegungsabläufe bewusster erfahren und Ihre Körperhaltung verbessern können. Viele körperliche Beschwerden wie zum Beispiel Rückenschmerzen sind unter anderem eine Folge von falscher Körperhaltung und -bewegung.
Rolfing Strukturelle Integration setzt genau hier an und hilft Ihnen, Verkürzungen, Blockaden und Verhärtungen in Ihrem Körper zu entdecken und mit manueller Therapie und bewussten Bewegungen, Ihren Körper lang werden zu lassen und wieder auszurichten.
Gern berate ich Sie, wenn nun Ihr Interesse an einer Rolfing-Behandlung geweckt ist oder Sie noch nach weiteren Tipps und Übungen für eine gesunde Haltung und Bewegung suchen. Nehmen Sie einfach Kontakt mit mir auf.